Die Stadt, von der Europa sprach

Reichsfestung Philippsburg

Das ist keine Übertreibung: Hier wurde einmal Geschichte gemacht, hier fielen Entscheidungen, hier war was los. Man sollte nur genug Phantasie haben, um sich vorstellen zu können, was dieses Stückchen Erde zwischen Rhein, Saalbach und Pfinz im Laufe der Jahrhunderte gesehen hat. Berlin war noch ein unbekanntes Dorf, von Karlsruhe war noch lange keine Rede, da sprach man in Palästen und Hütten, in Kanzleien und Salons, in Feldlagern und Marketenderzelten von Philippsburg. Im ganzen "heiligen römischen Reich deutscher Nation", in Frankreich und in Spanien, in Italien und England. Männer aus allen Ländern konnten in ihrer Heimat erzählen: "...damals, als wir in Philippsburg waren...", wie sie heute erzählen von Stalingrad, Monte Cassino oder El Alamein. Was Namen und Rang hatte in Europa, musste einmal den Rheinschlamm Philippsburgs an den Reitstiefeln gehabt haben, das gehörte mit zum guten Ton, zur politischen Laufbahn, zur militärisch-strategischen Ausbildung. Das war ein Gewimmel, wenn in den entscheidungsvollen Tagen, da die Strahlungen europäischer Geschichte sich in Philippsburg, wie in einem Brennpunkt, sammelten, die Ameen sich hier gegenüberstanden. Zehntausende hier in der Garnison, auf den Wällen und in den Gräben, hunderttausend draußen in den Heerlagern.

Im Dreißigjährigen Krieg: Die Landsknechte in ihren phantasievollen Kostümen, Röcke mit geschlitzten Ärmeln, Pluderhosen, wallende Federn an den Baretten, dazu die Trosse, die Marketender, Trossweiber und Trossbuben. Später die uniformierten Söldner in den bunten Röcken ihrer Bataillone, grün mit roten Aufschlägen, blau mit weißen Hosen. Flatternde Standarten, wiehernde Pferde, wer zählt die Völker, nennt die Namen? Alle Sprachen Europas schwirrten durcheinander. Dazwischen vornehme Offiziere edelster Abstammung, die sich mit angeborener Grandezza zwischen dem rauhen Kriegsvolk bewegten.                             nach oben

Wildes, zügelloses Lagerleben, Saufgelage, Raufereien unter den Soldaten und Duelle unter den Offizieren, Standgerichte und Exekutionen durch den Profoss. Wenn vor den Festungskommandanten General-Feldmarschall Hans-Karl von Thüngen, der wegen seiner strengen Zucht unter seinen Untergebenen bei den Philippsburger Bürgern hoch geachtet war, ein Soldat gebracht wurde und er sprach: "Du Kerl sollst hängen, so wahr ich Hans-Karl heiße", so baumelte er auch. Es wird bei dem harten Kriegsvolk auch nötig gewesen sein. Zeiten voll hastigen Lebensgenusses und schlimme Hungerzeiten, wenn Sold, Fourage und Beute ausblieben oder die Festung einge- schlossen war. Dann strichen wohl die zerlumpten Landsknechte mit knurrenden Mägen im Festungsvorfeld herum und waren froh, wenn sie aus den Wallgräben mit Wurm und Haken einen Karpfen heraufholen oder einen Hasen in der Schlinge fangen konnten, wie uns der abenteuerliche Simplizissimus aus seiner Philippsburger Zeit erzählt. Oder sie waren gezwungen, sich zweifelhafte Frauenzimmer aus dem Tross als Eheweiber zu nehmen, damit sie diese auf "Schnabelwald", zum Wurzel-, Kräuter-, Schnecken- und Froschsuchen schicken konnten. In solchen Zeiten war auch bei der zivilen Bevölkerung Schmalhans Küchenmeister, und sie hatten recht verdächtigen Braten in ihren Pfannen; "Ein Pfund Pferdefleisch ist für 6 Kreuzer, ein Hund für 1 Reichsthaler, 1 Katze für 1 Goldgulden, eine Maus für 1 Batzen und noch teurer verkauft worden'..." sagt der Chronist. 

Die Geschichte Philippsburgs läuft seltsam zweigleisig.  Neben dem wilden Kriegsvolk gab es ja noch die Bürger der Stadt, Untertanen des Speyerer Bischofs. Es ist ergreifend zu sehen, wie sich der ehrsame Rat der Stadt verzweifelt dagegen wehrte, dass die Einwohnerschaft nicht restlos von der Zügellosigkeit der Soldaten angesteckt wurde. Sie scheuten sich nicht, angesehene Bürgerstöchter, sofern sie sich mit Soldaten einließen, paarweise vor den "Dreckkarren" zu spannen und durch die Stadt traben oder öffentlich mit dem Ochsenziemer auspeitschen zu lassen. 

Und doch war die Bürgerschaft ja auf das Militär angewiesen. Der karge Boden, noch dazu fast restlos durch die Feldbefestigungen zerrissen, konnte sie nicht ernähren. Aber schließlich: So viel Soldaten brachten Geld, sie brauchten Wein und Tabak, brauchten Schneider, Schuster, Sattler und Wagner. Es kam sehr darauf an, dass der jeweilige Oberkommandierende der Garnisonstruppen der Bürgerschaft wohl gesonnen war. Deshalb scheuten sich die Stadtväter nicht, beim Erscheinen eines neuen Festungskommandanten tief in den Stadtsäckel zu greifen und für den neuen Herrn ein Präsent von Kapaunen, Speck und etlichen Fässern guten Weins heranzuschaffen.  Sie wussten, was so ein General oder Oberst mit seinen Stabsoffizieren am meisten schätzte und dass mit der Güte des Weins auch die gute Laune des Kommandanten in Zusammenhang stand. Wer wollte es den Stadtvätern verargen, dass sie sich zum Einkauf auf eine Weinreise in die Pfalz begaben und dort auf Stadtkosten sehr gewissenhaft durchprobierten, welches der edlen Gewächse der Pfalz am geeignetsten für diesen Zweck war? (Im Interesse der heutigen Stadträte muss man es sehr bedauern, dass diese angenehme Pflicht nicht erhalten geblieben ist.) 

Unzählige Male ist der Krieg über diese Stadt gebraust, flog der "rote Hahn" auf die Dächer, zertrümmerten Bomben und Granaten die Mauern. Vom "unseligen Philippsburg" sprach man im "Heiligen Römischen Reich".        nach oben

Und doch: Als eine wohlmeinende Obrigkeit, der Fürstbischof Wilderich, anno 1799, als die Bürger wieder einmal auf den Trümmern ihrer Häuser standen, ihnen zuredete, die Stadt an einer weniger gefährdeten Stelle, auf dem Hochgestade (Hexendamm, zwischen Wiesentaler und Waghäusler Landstraße) neu zu errichten, sagten die Bürger "Nein". Dort oben war das Gelände schon vermessen, der Platz für die neue Kirche und die Straßenzüge schon festgelegt, aber die Philippsburger blieben am alten Platz und bauten ihre Häuser an derselben Stelle wieder auf. 

Und trotzdem: Heute freuen sich die Philippsburger, dass nach mehr als anderthalb Jahrhunderten wieder Soldaten kommen in ihr Philippsburg, die Stadt von der Europa sprach.

 Baudis

 früher Pfarrer in Philippsburg 

 

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Der erste und letzte Kommandant
der Feste Philippsburg

Caspar Bamberger, Leutnant in den Diensten des Bischofs zu Speyer, wurde nach der Umwandlung "Udenheims" (so hieß Philippsburg früher) in eine Festung zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges, von Philipp von Sötern 1624 zum Kommandanten von Philippsburg eingesetzt. Er war damit der erste in einer Reihe von ehrbaren Offizieren, die im Verlauf von fast zweihundert Jahren der Sache des Kaisers und dem Reiche als Befehlshaber auf schwerem Posten getreulich dienten. Als Philipp von Sötern durch die Ungunst der Zeitverhältnisse gezwungen war, sich mit den Franzosen zu verbünden, da lehnte Bamberger aus eigenem Entschluss die Übergabe der Festung an Frankreich ab, sagte sich von seinem Landesherrn los und stellte Philippsburg, seine Truppen und sich unter den Schutz des Kaisers in Wien. Es war gewiss ein dramatischer Entschluss  Da nahten die Schweden.  Bamberger ließ sich nicht einschüchtern und erwehrte sich der Übermacht so lange es ging. Aber auch seine tollkühnen Ausfälle halfen nichts: 1634 musste Bamberger kapitulieren. Bei den Übergabeverhandlungen setzte der tapfere Kommandant durch, dass die Einwohner von Philippsburg nicht geplündert werden durften und ihre katholische Religion weiter ausüben konnten. Doch genau ein Jahr später eroberte der unverwüstliche Bamberger die Festung in einem dreisten Handstreich zurück. Aus Anerkennung machte ihn der Kaiser zum Obersten. In kühnen Streifzügen drang er weit in das Land des Gegners, machte Beute über Beute und beunruhigte ständig den Feind. Als die französischen Heere in großer Übermacht angriffen, konnte sich Bamberger nicht lange halten. Unter ehrenvollen Bedingungen konnte er mit seinen Truppen abziehen und verschwindet fortan aus der Geschichte.

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Rheingraf Karl August von Salm wurde 1797 von Mainz nach Philippsburg beordert, um als Generalleutnant den Oberbefehl über die Reichsfestung und die darin liegenden Reichstruppen zu übernehmen.  Die Gewitterwolken am politischen Himmel zeigten wieder einmal auf Sturm, der sich von Westen her Bahn brach. Salm tat alles, um die Festung für die Verteidigung schnellstens herzurichten. Die anrückenden Franzosen versuchten die Festung durch List und Verrat, Einschüchterung und Bestechung, kampflos in ihre Gewalt zu bringen. Dafür hatte der aufrechte Kommandant nur eine Antwort, die heute noch bei der hiesigen Bevölkerung in bester Erinnerung ist: Anspielend auf seinen Namen und die Bezeichnung "Grundeln" (Fischart), die die Philippsburger damals den Belagerern gaben, sagte er: "Ein edler Salm lässt sich nicht von Grundeln fangen!" Darauf schossen die Franzosen die Stadt in einem sechs Tage dauernden "Bombardement" in Schutt und Asche. Nur 13 Häuser blieben verschont! Dennoch mussten die Franzosen unverrichteter Dinge abziehen. Der heldenhafte Kommandant erwies sich jetzt als wahrer Menschenfreund. In feurigen Aufrufen wandte er sich an alle Stände und Schichten Deutschlands, schilderte Not und Elend in Philippsburg und bat um Unterstützung für die um Hab und Gut gekommenen Philippsburger. Dieser Edelmut ist dem tapferen Kommandanten und edlen Menschenfreund bis heute unvergessen. Als Karl August von Salm im Jahre 1800 von einer Seuche hinweggerafft wurde, begrub man ihn auf dem höchsten Punkt der Festung, der St. Trinitas-Bastion, dem späteren Salmbuckel. So erlebte der tapfere Verteidiger von 1799 wenigstens nicht die nun auf Befehl Napoleons erfolgte Schleifung der Festungswerke. Salms Leichnam wurde auf den Friedhof überführt und in einem Ehrengrab beigesetzt. Eine einfache Pyramide aus Steinen der Festung schmückt bis heute sein Grab.

Josef M. Fieser
Konrektor

Salms Grabmal
auf dem Friedhof von Philippsburg

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Letzte Ehrenvolle Rolle
der Reichsfestung Philippsburg

Dem siebentägigen Beschuss der Festung im September 1799 ging eine Aufforderung des französischen Generals Leval zur Übergabe innerhalb zwei Stunden voraus. Der Festungskommandant Rheingraf von Salm ließ antworten, dass er nicht übergebe "selbst wenn ihm das Schnupftuch in der Tasche brenne". Darauf erfolgte das Bombar- dement, das zwar die Stadt in Schutt und Asche legte, die Bewohner um ihre ganze Habe, den Franzosen aber keinen Sieg brachte. Die Belagerer zogen eiligst ab, als sich ein Entsatzheer des Erzherzogs Karl näherte, was Anlass für einen Garnisonsangehö- rigen zu folgendem Lied war, das von der Besatzung und lange Zeit später viel gesungen wurde:

    D' Franzosen brechen ein, bei Mannheim übern Rhein,
    Sie wollen es wagen, Festung Philippsburg zu belagern,
    Und bauen hierauf die Schanzen schon auf.

    Als unser General den Trompeter bekam:
    "Wollt ihr euch ergeben, sonst kost's euch das Leben;
    Mit Feuer und Flamm'n schießen wir euch zusamm'n."

    Er antwortet mit Muth: "Wir scheuen nicht das Blut.
    Wollt ihr uns beschießen, das soll euch verdrießen;
    Wir haben noch Zeug, Kanonen für euch."

    Sechs Tag' und sieben Nacht im Feuer zugebracht,
    Die Stadt liegt in Asche, das Tuch brennt in der Tasche,           
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    Doch lassen wir nicht die Festung im Stich.

    Am Sechsten brach es ein, das Feuer überm Rhein;
    Nun sieht man sie laufen die lumpigen Haufen,
    Sie wollen auf Ehr die Festung nicht mehr.

    "Vivat der General" lasst uns singen zumal.
    "Vivat, er soll leben, Platzmajor daneben,
    Und alle Offizier. Gute Deutsche sind wir!"

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